Kuhfladen

Auf den Weiden im Schwarzwald begegnen Wanderer ihnen unweigerlich: den Kuhfladen. Ökologisch gesehen sind Kuhfladen hochinteressant. Zunächst geben sie der Weide einen Teil der Nährstoffe zurück, die die Tiere tags zuvor durch‘s Grasfressen aufgenommen hatten. So schließt sich der biologische Kreislauf der Nähstoffe und der Energie zumindest zum Teil; vom Entzug, den die Tiere aus der Weide schaffen, profitieren wir am Ende der „Nahrungskette“ als Konsumenten von Milch und Fleisch. Kuhfladen sind bestens aufgearbeitetes, biologisches Material. Obwohl die Rinder mit den vier Mägen es durch intensive Verdauung schaffen, den aufgenommenen Gräsern und Kräutern viele Nährstoffe zu entziehen, ist in der breiigen Konsistenz der mehrere Kilogramm schweren Kuhfladen noch immer einiges „Interessante“ enthalten, an dem sich Nachfolger bedienen. Kaum dass die zähflüssige Masse den Boden erreicht und sich zum Fladen geformt hat, lockt der „Duft“ schon die ersten Besucher an: metallisch glänzende Schmeiß- und Kotfliegen versammeln sich aufgeregt auf dem frischen, warmen Haufen und prüfen, ob es was Gutes aus dem Brei aufzusaugen gibt und sich der weiche Kot zu Eiablage eignet. Oder sie nutzen den Rendez-vous-Platz schlicht zur Partnersuche! Alsbald kommen die nächsten Besucher, auch sie zieht der unwiderstehliche Hautgoût an. Es sind Dungkäfer, die Gänge in den Fladen mit der schon etwas festeren Kruste bohren, so dass der Haufen zum Schweizer Käse wird. In den Löchern legen sie ihre Eier ab. Mistkäfer wiederum graben Erdhöhlen unter dem Fladen und füllen sie mit Kotkügelchen. Die Käferlarven ernähren sich vom Kot, während der Fladen durch die Zersetzung mäßig warm bleibt, allerdings auch weiter abtrocknet und schrumpft. In den belüfteten Gängen entwickeln auch Pilze und Bakterienrasen, die den Dung zusätzlich abbauen. Das lockt Mücken, Fadenwürmer, Hundertfüßler, Regenwürmer und Milben an, die am reich gedeckten Tisch mitvespern oder andere Tiere jagen. Schließlich stochern Vögel auf der Suche nach Insekten darin herum. In wenigen Wochen kann ein Kuhfladen, wenn er nicht ganz vertrocknet, kaum mehr sichtbar sein. Danach zeugen Geilstellen von ihnen: Das verstärkte Nährstoffangebot bringt die Weidepflanzen zu besserem Wachstum; Gräser und Kräuter schießen höher auf, auch weil das Vieh diese Stellen zunächst verschmäht und stehen lässt. Der geregelte Abbau des Biotops „Kuhfladen“ zeigt, dass in der Natur alles einen Zweck hat. Was der eine nicht mehr gebrauchen kann und ausscheidet, ist für den nächsten die unverzichtbare Lebensgrundlage. Der Abbau der Kuhfladen ist heutzutage leider nicht mehr gesichert: Weil man das Weidevieh gegen Bandwürmer behandelt, kann der Dung wegen der darin enthalten Entwurmungsmittel von den Insekten und ihren „Fladenkollegen“ nicht mehr abgebaut werden!