Kleine Braunelle

Sie zählt eher zu den unscheinbaren Pflanzen in unseren Wiesen, die Kleine Braunelle. Das liegt sicher an der geringen Größe, denn sie lebt gewissermaßen im Unterstock des Grünlands. Ihre Stängelchen steigen nicht wie die meisten anderen Wiesenpflanzen zum Licht empor, sondern kriechen über den Boden; mit kleinen Würzelchen, die aus den Knoten der kantigen Triebe herauswachsen, klammern sie sich am Boden fest. Zwischen den Grashalmen und Kräuterstängeln entfalten sie die Blättchen, die zu zweit am Knoten stehen.


So fristen sie im Halbdunkel der Wiese ihr Dasein. Doch nach dem Mähen kommt ihre Stunde. Wenn die Konkurrenten, die hoch aufgeschossenen Pflanzen um sie herum, mit einem Schnitt entfernt werden und ihr niederliegender Trieb mit den Blättchen im günstigsten Fall unbeschädigt bleibt, steht die Braunelle kurze Zeit unbedrängt im Licht. Sie reagiert schnell, reckt sich ein wenig nach oben und krönt das Stängelchen mit einer Ähre aus hübschen Blüten, die Hummeln, Wildbienen und Hautflügler gerne annehmen.


Man findet die Braunelle auf Wiesen; diese dürfen nur nicht zu intensiv genutzt werden. Zuviel Dünger, zu häufiges Mähen verträgt das zarte Pflänzchen schlecht. Darum hat es sich schon aus vielen Wiesen verab-schiedet. Im Schwarzwald aber findet man es noch häufig, weil es eher kalkfreie Standorte bevorzugt. Es mag auch Nass- und Moorwiesen, wo es sein Feuchtigkeitsbedürfnis immer stillen kann. In Viehweiden kann sich die Kleine Braunelle halten, denn dort verzweigen sich die am Boden liegenden Triebe, wenn sie vom Tritt leicht geschädigt sind, vom Fraß aber verschont bleiben. So bilden sich größere Bestände. Und oft ist sie in Garten- und Parkrasen zu sehen, wenn man diese nicht zu knapp über dem Boden mäht.


Der Ursprung des Namens Braunelle ist nicht ganz klar. Er soll sich auf die Farbe der Blütenstände mit den abgeblühten Kelchblättchen beziehen, wobei man wissen muss, dass das Wort „braun“ früher nicht für die uns heute so bezeichnete Farbe, sondern für „allgemein dunkel gefärbt“ stand – was gut passen würde, denn die Blüten der Braunelle sind ja recht dunkel blauviolett. Ein Blick auf den lateinischen Namen Prunella vulgaris hilft auch nicht weiter: er ist nur die lautmalerische Latinisierung des deutschen Wortes braun.


Die Kleine Braunelle ist ein Kulturbegleiter, die ihren Lebensraum mit Hilfe des Menschen auf bewirtschafte-tes Grünland ausdehnen konnte. Sie ist mit dem Menschen auch in andere Teile der Welt gelangt: In Neusee-land und auf Hawaii ist sie sogar ein „invasiver Neophyt“! In der Volksmedizin ist die Braunelle inzwischen eine fast vergessene Heilpflanze: am bekanntesten ist der Einsatz gegen Hals- und Rachenentzündungen. Sie soll auch blutdrucksenkend wirken und wegen ihrer Bitterstoffe den Verdauungsorganen guttun


2023 ist die Kleine Braunelle zur „Blume des Jahres“ gewählt worden – eine große Ehre für das zierliche Pflänzchen.

Schwarzwaldverein 16.8.2023